Der amerikanische Sozialarbeiter und Psychotherapeut Ira Progoff war einer der Ersten, der ein Tagebuch nicht nur als Objekt des Interesses für Außenstehende (wie im Fall von Memoiren oder Biografien) betrachtete, sondern auch als nützliches Werkzeug für eine tiefe Selbstbeobachtung.
In den 1950er-Jahren, zu Beginn seiner Karriere, beschloss Progoff, von den Ideen der Tiefenpsychologie auszugehen, und studierte die Lehrer ihrer prominenten Anhänger. Vor allem interessierte ihn der Ansatz von Carl Gustav Jung (vorwiegend nach einer Zeit persönlicher Zusammenarbeit mit ihm). Anders als Sigmund Freud, Otto Rank und Alfred Adler glaubte er, dass jeder Patient über ausreichende Ressourcen zur Selbsterkenntnis und Selbsthilfe verfüge.
Aber Jung bestand auf der Notwendigkeit einer teuren analytischen Therapie, die sich nicht jeder leisten könne, sowie der Beteiligung eines Psychotherapeuten. Laut Ira Progoff hinderte die Anwesenheit eines Arztes einen Menschen daran, sein eigenes einzigartiges System von Symbolen und Reflexen zu verstehen.
Progoffs humanistischer Ansatz veranlasste seine Suche nach einer spirituellen Praxis, die es auch einem armen Menschen ermöglichen würde, psychologische Hilfe in Anspruch zu nehmen. Außerdem war es ihm wichtig, die Figur des Arztes möglichst zu verstecken, damit sich der Mensch im Therapieverlauf auf seine eigenen Ressourcen verlässt und sich von seinen eigenen Einschätzungen leiten lässt.
Progoff fand nichts dergleichen, also musste er sein eigenes System erfinden. Im Laufe seiner Lehre wurde ihm deutlich, dass gewöhnliche Tagebücher nicht nur momentane Emotionen lindern müssen, sondern auch zum Kern der Therapie werden sollten (seine Vorgänger betrachteten das Tagebuch nur als Hilfsmittel). Seine Methode (Intensive Journal Method/Process) besteht aus einer Reihe von Schreibübungen auf losem Blatt Papier in einem einfachen Ringbuch, das in Abschnitte unterteilt ist, um den Zugang zu verschiedenen Bereichen des Lebens des Autors zu erleichtern. Bei dieser Technik ist das Schreiben ein dynamischer Prozess, der gelegentlich zu grundlegenden Erkenntnissen, zur Überwindung von Blockierungen und zu persönlichen und geistigem Wachstum führt. Mit der Zeit wurde diese ebenso einfache wie wirksame Praxis der Behandlung von mentalen Problemen immer beliebter, denn die Methode ist darauf angelegt,
Dinge zu verarbeiten
Menschen mit einem Trauma bei der Bewältigung zu unterstützen
Stress abzubauen
Seelenhygiene zu betreiben
Sich selbst besser zu verstehen.
So richtig ins Rollen kam das Schreiben als Therapie allerdings erst in den 90er-Jahren. Journaling findet immer mehr Zuspruch im Feld der privaten Persönlichkeitsentwicklung. Studien zeigen, dass Menschen, die regelmäßig ein Journal führen, weniger anfällig sind für Depressionen. Mögliche Formen von Nervosität sinken, die Menschen sind klarer und fokussierter und treffen bessere Entscheidungen. Auch bessere Laune und mehr Zufriedenheit wird dem Journaling zugesprochen.
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